Das Konzept der Lese-Arbeit wurde vom Theorie und Praxis e.V. als intervention entwickelt, um auf verschiedene Aspekte kapitalistischer In-Wert-Setzung von Arbeit hinzuweisen. Von der Frage ausgehend „Welche Arbeit wird (im Kapitalismus) bezahlt, welche nicht?“, gibt Lese-Arbeit eine sichtbare, aber nicht mehrwertproduzierende Antwort:
„Unsere Intervention in den gegebenen gesellschaftlichen Körper – früher mal: die Verhältnisse – besteht in öffentlich sichtbarer Arbeit, die keinen verwertbaren Wert erschafft. Im Lesen und im Denken. Und definitiv nicht im Lesen und Bedenken von neueren und neuesten Anweisungen zu kultureller als die industrielle ablösende mehrwertproduzierende Arbeit der Zukunft. Sondern eher von Theoremen und Strategemen zu einem Leben nach der menschlichen (Frohn-/Lohn-)Arbeit als lebensausfüllendem Beitrag zum schlichten Überleben. Wir machen, was die Produktivkräfte locker längst ermöglichen, die Produktionsverhältnisse dagegen zunehmend verhindern: Wir befreien uns und andere temporär aus dem Joch der erzwungenen Teilnahme an marktkonformer Produktivität. Konkret sitzen wir in einem Schaufenster und lesen; und laden andere dazu ein, ihre sonstigen Überlebensarbeiten zu reduzieren und dasselbe zu tun. Natürlich bezahlt, weil anders geht’s ja (noch) nicht.“
Eine experimentelle Weiterentwicklung der Lese-Arbeit ist die X-Arbeit. Verkürzt gesagt: „X-Arbeit dreht den Co-Working Space auf links: Alle, die Arbeiten, werden dafür gleich bezahlt, indem sie dies an einem gemeinsamen Ort tun.“ Neben der Thematisierung des gesellschaftlichen Verhältnisses von bezahlter und nicht-bezahlter Arbeit, geht es bei X-Arbeit auch um subjektivierte, also persönliche, Vorstellungen von Arbeit und deren Wert. Verlängert gesagt: „Dieselbe Freiheit, die sich die funktional differenzierte Gesellschaft nimmt, wenn sie auf Letztbegründungen verzichtet, steht auch den Subjektivierungen, den Psychen zu. Die Annahme, dass ich arbeite, reicht aus, um daraus ein Recht auf Bezahlung abzuleiten.“