Zum Thema Musikzentrum wurde schon viel geschrieben. Der Bau im Viktoriaquartier ist beschlossene Sache.
Irritierend liest sich die Argumentation auf der Homepage des Musikzentrums unter dem Punkt „Kann sich Bochum ein Musikzentrum leisten“: „Das Musikzentrum in der Innenstadt ist eine wichtige Investition in Kultur, Bildung und die Weiterentwicklung der Infrastruktur. Die Investition mit einer Förderquote von über 90 Prozent auszuschlagen, kann sich unsere Stadt nicht leisten.“1
Wie, ein Musikzentrum fast geschenkt?! Klar, das nehmen wir. So scheint manch einer nicht bedacht zu haben, dass ein Eigenanteil natürlich trotzdem fällig wird.
Dann trifft man auf das Argument, dass das Audi Max der Ruhr-Uni Bochum nicht für die akustischen Belange von Konzerten geeignet ist. Warum genau hat man dann dort eine Orgel eingebaut?
Mittlerweile ist wohl auch den zuständigen Ausschüssen aufgefallen, welch ungeahnte Höhen die Kosten für das Musikzentrum noch erreichen könnten. Die von der Stadt zu zahlenden 2,4 Mio. € werden jedenfalls kaum ausreichen. Es entstehen nur geschätzte 300.000 € Betriebskosten zusätzlich mehr pro Jahr. Rückstellungen für mögliche Reparaturen und Mehrkosten sind nicht vorgesehen.
Ein Beispiel für die schlechte Kalkulation der Betriebskosten liefert die Piratenpartei, die darauf hinweist, dass die Heiz- und Stromkosten noch auf dem Stand von 2011 sind und bis zur Eröffnung sicherlich nicht mehr haltbar sein werden.
Und apropos Piratenpartei, gut die Aktion mit den Platanen war vielleicht eine Nummer zu grotesk. Noch grotesker wirkte allerdings die unglaublich plumpe Vertuschungsaktion von Fr. Dr. Britta Freis, Leiterin der Stiftung Bochumer Symphoniker, die die Grabbeilage von Fr. Simone Brand, Landtagsabgeordnete der Piratenpartei NRW, die Schleife des Gestecks mit der Aufschrift „In Gedenken an das 20 Millionen Grab“ rüde einkassierte und dann auch noch vor laufender Kamera behauptete, nichts getan zu haben, während sie das zerknüllte Band noch in der Hand hielt – die goldene Himbeere für die schlechteste PR-Aktion geht damit an Fr. Dr. Britta Freis ( http://www.youtube.com/watch?v=44va_1VcfUI ).
Demokratie – Frag doch mal die Bürger
Die Piratenpartei trat nicht nur mit einer neuen Kostenkalkulation für das Musikzentrum an, sondern mischte die Szene mit einer Unterschriftenaktion gegen das Musikzentrum auf. Die von der WAZ daraufhin zu Bäh-Bürgern degradierten sammelten beachtenswerte 13.425 Unterschriften von den Bochumern, die sich gegen das Musikzentrum aussprachen. So mag diese Aktion vielleicht juristisch nicht wasserdicht gewesen sein, allerdings drängt sich schon die Frage auf, ob man in Zukunft bei solchen Großprojekten vielleicht die Meinung der Bürger dieser Stadt einholen sollte, wie es die Linke im Rat getan hat. Allerdings ist dieser Bürgerentscheid abgelehnt worden. Vielleicht hat es mit folgendem Auszug aus der Niederschrift der Ratssitzung vom 13.12.2012 zu tun:
Beantwortung von Fragen durch Herrn Townsend, verbunden mit dem Hinweis, dass der Bauzeitenplan so eng bemessen ist, dass die bei Durchführung eines Bürgerentscheids eintretende Verzögerung um mehrere Monate definitiv eine Realisierung des Projektes im Abrechnungszeitraum für die Fördermittel unmöglich machen wird. Derzeit ist von der Einhaltung des Kosten- und Zeitrahmens auszugehen; unvorhersehbare Ereignisse können jedoch zu einer Veränderung des Zeitplanes führen.2
Schöner kann man die Tragweite eines Bürgerentscheids gar nicht formulieren. Mit anderen Worten, wir müssen unter Zeitdruck schnell alles absegnen, sonst bekommen wir die Fördermittel nicht und bleiben an den Kosten hängen. Schnell, schnell, bloß nicht noch mal drüber nachdenken und keine Zeit, um die Menschen zu fragen, für die dieses Musikzentrum gebaut wird. So funktioniert also Demokratie…
Fördergelder – Ablehnen muss man sich leisten können?!
Man muss wirklich kein Finanzexperte sein, um zu wissen, was der Stadt blüht, wenn sie wie vereinbart, zusätzlich auch noch die Jahrhunderthalle übernehmen muss. Dann sind locker noch einmal einige 100.000€ pro Jahr drin. So besteht Minister Voigtsberger auf folgenden Deal:
Der Städtebauminister hat diese Förderung allerdings von Anfang an davon abhängig gemacht, dass die zwischen Stadt und Landesregierung laufenden Verhandlungen über die Übernahme der Jahrhunderthalle in städtische Trägerschaft erfolgreich zum Abschluss gebracht werden.3
Problematisch ist sicherlich, dass Land und EU für die Anschubfinanzierung sorgen und die Kommunen dann auf den Folgekosten, die meistens klein gerechnet sind, hängen bleiben. Mittel für das Musikzentrum kommen auch aus dem NRW Ziel 2-Programm, so wie es in der Beschreibung von EFRE beschrieben wird:
„Innovationen wagen – Aufbruch in eine kreative Ökonomie
Das NRW Ziel 2-Programm für Nordrhein-Westfalen verfolgt drei wichtige Ziele:
Erstens: Der Mittelstand und die Existenzgründerszene sollen noch stärker und aktiver werden als bisher. Zweitens: Städte und Regionen sollen attraktiver und lebenswerter werden. Vor allem aber sollen sich – drittens – Innovationsbereitschaft und Innovationsfähigkeit im ganzen Land verbessern.“
Diese und andere Förderprojekte laden dazu ein, tolle neue Gebäude in viel zu großen Dimensionen hochzuziehen, die dann ohne weitere Fördergelder nicht unterhalten werden können. Der Dealer als Initiator, in diesem Fall Land, EU und Co. zahlt nur den Grundstock. Die Drogen aber, in Form des Geldes zur Unterhaltung, kann in diesem Fall die Kommune bis zum bitteren Ende weiterzahlen.
Und die Kommune Bochum befindet sich bereits im Nothaushalt. Für das Land NRW sind diese Projekte jedoch toll. Man tut schließlich etwas für die Region, für Struktur, Kultur und besonders Wirtschaft – kurzfristig. Mit Nachhaltigkeit hat diese Projektfinanziererei nichts zu tun. Das sieht man auch, wenn man sich die neue Präsentation des Musikzentrums ansieht. Es mussten weitere Einsparpotentiale gefunden werden und die Architekten Bez + Kock haben sie auch gefunden: Reduzierung der Standards, Reduzierung Qualitätslevel Ersteinrichtung etc.
Erinnerungen an das Schauspielhaus kommen hoch, dort sind die Sitzbezüge der Bestuhlung bereits nach kürzester Zeit schon wieder erneuerungswürdig, weil alles nur wenig kosten durfte. Wer an der falschen Stelle spart, zahlt am Ende drauf.
War noch was? – Ach ja… FRAGEN
Während meiner Beschäftigung mit dem Bochumer Musikzentrum bin ich über viele weiterführende Fragen gestolpert. Nicht nur über die Frage, warum man glaubt, dass man sich als Kommune die 90% Förderung nicht entgehen lassen darf, wenn man doch den Eigenanteil wegen des Nothaushaltes kaum hat und die Folgekosten einfach nur ein unkalkulierbares Risiko darstellen. Woher kommt die Struktur der Projektförderung? Wem nutzt sie – den Kommunen? Sicher?! Wer bekommt die Fördermittel, der der wirklich ein gutes Projekt hat, dass auch in der Zukunft weiter ohne Hilfe wirtschaftlich funktioniert, oder doch diejenigen, die die besten Anträge schreiben? Sind Projekte eng mit dem Begriff der Nachhaltigkeit verknüpft oder fördern die Gelder doch nur spontanen Aktionismus? Sollte eine Kommune nicht besser in die Gebäude langfristig investieren, die sowieso bereits vorhanden sind?
Schade, dass man die Bürger auf Grund des Zeitdrucks nicht fragen konnte, ob sie denn ein Musikzentrum möchten, oder ob sie lieber in andere Bereiche investieren würden.
Lena C. Riechmann
Quellenverzeichnis (alle Stand 24.06.2013):
http://www.coolibri.de/redaktion/aktuelles/0313/nehmt-die-spaten-in-die-hand.html
http://www.ziel2.nrw.de/1_Ziel2-Programm/index.php
http://www.ziel2.nrw.de/1_Ziel2-Programm/4_1_Auswahlkriterien/Auswahlkriterien.pdf
http://nrw.mehr-demokratie.de/bochum.html
https://session.bochum.de/bi/vo0050.php?__kvonr=7053520&voselect=4996
https://session.bochum.de/bi/to0040.php?__ksinr=4806
https://session.bochum.de/bi/vo0050.php?__kvonr=7051524&voselect=4748
https://session.bochum.de/bi/vo0050.php?__kvonr=7052677&voselect=4751
https://session.bochum.de/bi/to0040.php?__ksinr=4751
http://www.ruhrbarone.de/hol-dir-den-barsch-wie-teuer-wird-das-musikzentrum-in-bochum/
http://ruhrblogxpublik.de/2012/07/02/macht-statt-argumenten-politische-kultur-in-bochum/
http://musikzentrum.bochum.de/C1257B3500482053/CurrentBaseLink/W296FGS7443BOCMDE
http://www.derwesten.de/staedte/bochum/bochumer-jahrhunderthalle-als-teure-mitgift-id4110548.html
http://www.derwesten.de/staedte/bochum/buergerbegehren-gegen-musikzentrum-gescheitert-id7252887.html